Tag 6: Frei
Du läufst und läufst und läufst. Immer weiter. Ein Schritt vor den anderen. Den Horizont im Blick. Du lässt den Blick schweifen über die Landschaft, die dich umgibt: Immer mal etwas Neues, etwas Überraschendes, aber vielfach sich wiederholende räumliche Settings: mal rauhe Straßen der Stadtrand-Gegend, dann einsame Feldwege und verwunschene Pfade durch den Wald.
Ungewohnt ist es sicherlich, einfach weiterzugehen, ohne noch viel darüber nachzudenken. Und wie sieht es in dir aus? Gedanken kommen, ziehen weiter, kommen zurück, setzen sich fest.
Vielleicht bist du mit dem Wunsch gestartet, vieles hinter dir zu lassen, zu Hause zu lassen, loszulassen auf dem Weg, Schritt für Schritt. So wie eine Kiste mit Sand, die du hinter dir herziehst, und die durch ein kleines Loch nach und nach Sand verliert und leichter wird, von Kilometer zu Kilometer.
Vielleicht ist es dann genau dieses Gefühl, das sich breit macht: Der Ballast, mit dem du gestartet bist, wird leichter – von Tag zu Tag. Schritt für Schritt lösen sich Verstrickungen. Frei?
Vielleicht ist es auch anders: Da ist etwas, was du loswerden wolltest und das ploppt immer wieder auf, es lässt sich einfach nicht abschütteln. Ja, es hämmert sich gar mit jedem Schritt stärker in dein Bewusstsein, es will bearbeitet werden. Frei?
Die Sehnsucht nach Freiheit treibt uns an, lässt uns auch diesen Weg gehen, heute an diesem Tag. Es gibt sicherlich gute Gründe, manchmal auch Unfreiheit zu spüren: ohnmächtig machende Krisen vielfältiger Art, die Sorge um das eigene Wohl und das Wohl geliebter Menschen, Druck und Erwartungen an sich selbst und seine Mitmenschen. Manchmal auch Wahrnehmungen, die an den Grundbedürfnissen von uns Menschen rütteln und die sich wie ein tief sitzender Dorn anfühlen: Kann ich vertrauen? Fühle ich mich sicher? Bin ich angenommen?
Wie mag es Mose ergangen sein auf seinem Weg – in rauer Steppe, umgeben von seinen Schafen und Ziegen, mit seinen Gedanken und Fragen. Mose war ein Suchender, einer auf dem Weg, auch ein Pilger. Allein war er unterwegs und in diesem Moment des Auf-dem-Weg-seins umgab ihn Stille – innen wie außen.
Bibeltext
Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb. Dort erschien ihm der Engel des HERRN in einer Feuerflamme mitten aus dem Dornbusch.
Er schaute hin: Der Dornbusch brannte im Feuer, aber der Dornbusch wurde nicht verzehrt. Mose sagte: „Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht?“
Als der HERR sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm mitten aus dem Dornbusch zu: „Mose, Mose!“ Er antwortete: „Hier bin ich.“
Er sagte: „Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.“ Dann fuhr er fort: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
Der HERR sprach: „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne sein Leid. Ich bin herabgestiegen, um es der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. Jetzt ist die laute Klage der Israeliten zu mir gedrungen und ich habe auch gesehen, wie die Ägypter sie unterdrücken. Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus!“
Mose antwortete Gott: „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen und die Israeliten aus Ägypten herausführen könnte?“
Er aber sagte: „Ich bin mit dir; ich habe dich gesandt und als Zeichen dafür soll dir dienen: Wenn du das Volk aus Ägypten herausgeführt hast, werdet ihr Gott an diesem Berg dienen.“
Da sagte Mose zu Gott: „Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen sagen?“
Da antwortete Gott dem Mose: „Ich bin, der ich bin.“ Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: „Der Ich-bin hat mich zu euch gesandt.“ Weiter sprach Gott zu Mose: „So sag zu den Israeliten: Der HERR, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer und so wird man mich anrufen von Geschlecht zu Geschlecht.“
Exodus 3,1–15
Was du heute tun kannst
Vielleicht hast du das schon die ganze Woche getan – etwas Kleines oder Schönes vom Boden aufgesammelt. Heute kannst du deine Umgebung noch einmal ganz bewusst betrachten als geheiligten Boden und als Ort Deiner Begegnung mit Gott.
Sammle unterwegs etwas ein: einen Stein, ein Stöckchen, ein Blatt, … gewöhnliche Dinge vom Wegesrand. Am Abend kannst du sie vor dir auslegen und mit Ehrfurcht wie einen großen Schatz betrachten. Vielleicht fallen dir auch noch Worte oder Situationen ein, die du damit verbindest. Dein Alltag ist voller Wunder und Schätze.
Falls du mit anderen unterwegs bist, könnt ihr vielleicht auch gemeinsam eine Ausstellung initiieren – oder im Gespräch mit anderen ein besonderes Stück eurer Alltagsschätze vorstellen.
Impulse zum Anhören
Bist du auf deine Reise gestartet, mit dem Wunsch, vieles hinter dir zu lassen? Loszulassen? Wird der Ballast, den du mit dir trägst, von Tag zu Tag leichter? Die Sehnsucht nach Freiheit treibt uns an, lässt uns gemeinsam diesen Weg gehen. Du läufst und läufst und läufst. Immer weiter. Ein Schritt vor den anderen. Den Horizont im Blick.