Auch mal heiße Eisen anfassen

Bischof Godehard war Benediktiner und kam aus dem Süden nach Hildesheim. Hier ist Pater Mauritius Wilde geboren, der heute Prior der Benediktinerabtei Sant’Anselmo in Rom ist. Ein Interview.

Spielte Godehard bei Ihren Überlegungen eine Rolle, in den Benediktinerorden einzutreten?Immerhin hat er auch das Mauritiusstift auf dem Moritzberg gegründet und Ihr Ordensname lautet Bruder Mauritius?

Für mich war der Moritzberg immer einfach das Zuhause. Erst spät habe ich bewusst wahrgenommen, dass ihn ja der heilige Godehard für sich als Rückzugsort entdeckt hatte. Als Mönch war er wohl eher einen kontemplativen Lebensstil gewohnt und in seiner sehr aktiven Hirtenarbeit brauchte er sicher ab und zu einmal die Einsamkeit. Seine Vorliebe für Einsiedeleien ist bekannt. So ist dieser Ort bis heute eine Oase. Meinen Ordensnamen verdanke ich ihm im Grunde auch, denn der heilige Mauritius ist der Namenspatron seines Heimatklosters Niederaltaich, den er mit in den Norden gebracht hat. Als ich ins Kloster ging, fiel mir der Abschied von Hildesheim schwer. So dachte ich, mit dem Namen trage ich davon immer ein Stück mit mir.

In alten Quellen heißt es: Godehards Leben in Hildesheim war geprägt durch eine tiefe Spiritualität, sein monastischer Ernst, aber auch seine gelassene Heiterkeit hinterließen einen tiefen Eindruck. Was bedeutet Godehard für Sie, was zeichnet ihn aus?

Ich habe die Benediktiner genau so erlebt, und das hat mich angezogen: Sie waren konsequent in ihrer Lebensführung, aber doch auch sehr gelassen. Mich fasziniert, wie es Godehard im fortgeschrittenen Alter noch einmal wagte, einen großen Sprung zu machen. Er wollte ja erst gar nicht Bischof werden und hat spontan auf die Anfrage geantwortet: „Lieber in Bayern ein Abt, als dort droben ein Bischof.“ Ich stelle mir vor, dass die andere Landschaft, die andere Sprache, das Klima und die Mentalität für ihn sicher eine große Umstellung waren. Mich beeindruckt, wie verfügbar er für das Reich Gottes und für den Ruf Gottes war.

Seit Godehards Ankunft in Hildesheim hat sich die Welt komplett verändert, auch die Kirche. Was hat dieser große Bischof und Reformer uns in Gesellschaft und Kirche heute noch zu sagen?

Godehard war ja wirklich ein Reformer. Er hat schon im Benediktinerorden Reformen unterstützt und dabei darauf gesetzt, das Ursprungscharisma neu zu beleben. Auch unsere Kirche heute ist im Wandel. Sie könnte dabei dem Rat des heiligen Benedikt folgen, der sagt, der Abt solle im Stande sein, aus seinem Wissen „Altes und Neues hervorzuholen“. Die Treue zum Überlieferten und die Offenheit für die Bedürfnisse der Gegenwart scheinen etwas gewesen zu sein, das Godehard gut verbinden konnte. Gleichzeitig hatte er wohl auch das Geschick, verschiedene Interessen auszugleichen. In Zeiten des Umbruchs gibt es auch heute Tendenzen der Spaltung oder einfach des Auseinanderfallens und -driftens. Seine Gabe, die Einheit zu bewahren, ist sicherlich ein Vorbild. Schließlich wird Godehard mit glühenden Kohlen in seinem Mantel dargestellt. Das geht auf eine Legende zurück. Wir könnten das so interpretieren, dass es sich lohnt, heiße Eisen anzufassen: Im Glauben an Gott brauchen wir davor keine Angst zu haben.

Werden Sie auch selbst im Godehardjahr in Hildesheim vorbeischauen?

Ja, ich darf in den Eröffnungstagen einen Vortrag halten, zusammen mit der Äbtissin von Mariendonk, Christiana Reemts, um die benediktinische Perspektive einzubringen. Und dann werden wir jeden Monat in typisch benediktinischer Regelmäßigkeit ein Treffen haben, online immer sonntags abends um 19 Uhr, wo jeder und jede dabei sein kann und wir überlegen, welche Aspekte der Spiritualität Godehards heute eine Rolle zur Erneuerung unseres persönlichen Lebens und Glaubens spielen könnte. Wir werden nachdenken über Pausen im Alltag, heilige Räume, das Singen, Gastfreundschaft und vieles mehr.

Interview: Edmund Deppe

Auszug aus der Beilage der KirchenZeitung - Die Woche im Bistum Hildesheim zum Godehardjahr vom 1. Mai 2022