St.-Godehard-Basilika als Weltkulturerbe?
Interdisziplinäre Tagung von HAWK und Klosterkammer Hannover im Godehardjahr würdigt 850. Weihejubiläum
„Wir wollen St. Godehard aus dem Windschatten von St. Michael und dem Mariendom in Hildesheim herausholen“, sagte Dr. Angela Weyer, Leiterin des Hornemann Institutes der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen in ihren Einführungsworten. Wie könnte das besser gelingen als mit einer interdisziplinären Tagung, die den Sakralbau aus dem 12. Jahrhundert drei Tage lang aus verschiedenen Gesichtspunkten intensiv beleuchtete. Ziel sei es, unter anderem, die Diskussion über einen Eintrag in die Unesco-Weltkulturerbeliste wiederaufzunehmen. „Es handelt sich um unseren kunsthistorisch bedeutsamsten Bau in der Verwaltung der Klosterkammer Hannover“, betonte auch Kammerdirektor Andreas Hesse bei seinen Grußworten und sprach nach einem historischen Exkurs zu den Eigentumsverhältnissen über die aktuell abgeschlossene Restaurierung der Furtwängler & Hammer-Orgel. „Unsere Fachleute freut es sehr, wenn Sie unsere Informationen zur St.Godehard-Basilika um Ihr Fachwissen bereichern“, schloss er.
„Warum machen wir so etwas?“, fragte HAWK-Präsident Dr. Marc Hudy die Anwesenden in seinem Grußwort. Auf diese Frage nannte er die prägnanten Schwerpunkte der HAWK: interdisziplinär, praxisorientiert und in der Region vernetzt. Diese Punkte spiegelten sich auch in der geografisch naheliegenden intensiven Auseinandersetzung mit St. Godehard zum 850. Weihejubiläum und in der Liste der fundierten Fachvorträge aus Kunstgeschichte, (Kirchen-)Geschichte, Restaurierung und Architektur wider. So eine Tagung sende auch immer wieder Signale aus, wie wichtig gerade die Restaurierungs- und Konservierungsstudiengänge an den Hochschulen seien, die oftmals mit Massenstudiengängen in Konkurrenz stünden. „Sie setzen diese Signale“, richtete er den Dank an die renommierten nationalen und internationalen Referentinnen und Referenten und das Fachpublikum in der HAWK-Aula.
Vor 1000 Jahren hatte Godehard nach Bischof Bernward das Bischofsamt in Hildesheim übernommen, weshalb das Bistum Hildesheim 2022 als Festjahr zu diesem Anlass ausrief. 850 Jahre nach der Weihe der ehemaligen Benediktiner-Klosterkirche St.Godehard luden daher das Hornemann Institut der HAWK und die Klosterkammer Hannover unter anderem in die ehemalige Klausur des Klosters ein, um der vielseitigen Geschichte des Sakralbaus nahe zu kommen. Angefangen hatte alles direkt vor Ort mit einer fachmännischen Führung von Dr. Jörg Richter der Klosterkammer Hannover und Dr. Christian Scholl von der Universität Hildesheim. Schließlich galt es, die nationalen und internationalen Gäste zunächst mit den Grunddaten des Gebäudes vertraut zu machen. Dabei zeichneten sich bereits mehrere große Bauphasen ab: die Entstehungsphase des Benediktinerklosters und der Kirche im 12. Jahrhundert, die starke Prägung der historistischen Instandsetzung von 1848 bis 1863 als das Gebäude als einsturzgefährdet galt, die Kriegsschäden 1945 am nördlichen Seitenschiff und 1961/62 dann der Wiederaufbau der Seitenwand mit hellen Quadern.
„Es ist der gute Erhaltungszustand des mittelalterlichen Gebäudes und die authentisch überlieferte romanische Bauweise, die St. Godehard zu etwas Außergewöhnlichem machen“, so Kunsthistoriker Gerhard Lutz vom Cleveland Museum of Art. Da Bischof Bernhard die Klosterkirche Godehard widmete, sei davon auszugehen, dass der für die damalige Zeit ungewöhnliche Chorumgang mit den drei Radialkapellen auf seinen vorherigen Aufenthalt in Frankreich zurück zu führen sei, so Lutz. Prof. Dr. Hans-Rudolf Meier, Professor für Denkmalpflege und Baugeschichte an der Bauhaus-Universität Weimar, bestätigte in seinem Vortrag, dass den Erbauern von St. Godehard offensichtlich Sakralbauten aus Frankreich als Vorbild dienten.
Noch heute werfen Baugeschichte und Ausstattung sowie deren kulturhistorische Einordnung zahlreiche Fragen auf. Die Tagung sollte daher Teile der Geschichte der Kirche und ihrer bedeutenden historischen Ausstattung im Lauf der Jahrhunderte aufarbeiten und wählte dabei vier Schwerpunkte: Die Gründung des Klosters und der Bau der Kirche im 12. Jahrhundert, die Umgestaltungen in Kirche und Kloster im Zuge der Reformen im 15. Jahrhundert und in der Barockzeit sowie die historistische Neugestaltung im 19. Jahrhundert. Ein Tagungsband wird die Ergebnisse zusammenfassen.
Alissa Lange (HAWK)