Zusammenhalt in den Gemeinden stärken
Solidaritätstafel in Bremerhaven-Geestemünde warnt vor absehbaren Auswirkungen der aktuellen Krisen
Für 400 Menschen war am Sonntag der Tisch gedeckt – in der Buchtstraße vor der Herz-Jesu-Kirche. Bei windigem Wetter fanden sich viele Bremerhavenerinnen und Bremerhavener verschiedenster Religion und Herkunft ein, um an der sogenannten Solidaritätstafel zu essen und über soziale Gerechtigkeit zu sprechen.
Der Tag begann um zwölf Uhr mit Glockengeläut und der Begrüßung durch die Veranstalter. Pfarrer Marcus Scheiermann, Ann-Kathrin Heuberger von den Maltesern, Birgitt Klaukien von der Caritas und Diakon Samuel Elsner hoben hervor, dass dieses Fest nur durch das Engagement zahlreicher Ehrenamtlicher möglich geworden sei. Die liefen dann auch zu Dutzenden – kenntlich gemacht durch maritime Halstücher – mit Tellern beladen zwischen der Essenausgabe von „Mut’s Kirchen“ und den Tischen unermüdlich hin und her, um alle satt zu bekommen.
Das Tischgebet war ein Dreiklang der Weltreligionen. Mircea Ionescu von Menorah-Jüdische Gemeinde zu Bremerhaven (auch der Cellist des Streichquartetts) bat auf Hebräisch um Gottes Segen, Fatih Kurutlu von der Türkisch Islamischen Gemeinde folgte mit einem Gebet auf Deutsch und Arabisch und Bischof Heiner Wilmer aus Hildesheim schloss die Runde der Tischgebete ab.
Es gab Nudeln mit Rinder-Hack oder Gemüsesauce und danach einen Kaffee – versüßt durch Blätterteig-Süßigkeiten, die die Türkisch Islamische Gemeinde aus Anlass des Opferfestes gestiftet hatte. Die Tischmusik war zum einen edel, zum anderen bodenständig. Das Streichquartett „Visurgis Quartett“ begeisterte mit Tischmusik von Mozart bis Moon River und die Band „Spohn mit Mannschaft“ brachte Lieder im Folk-Stil mit deutschen Texten.
Nachdem alle Gäste mit Essen versorgt waren, zog eine Podiumsdiskussion, moderiert von Caritas-Pressesprecherin Svenja Koch, zu Themen der sozialen Gerechtigkeit die Aufmerksamkeit auf sich. Koch diskutierte mit Irene von Twistern (CDU), Elias Tsartilidis (SPD), Marco Miholic (FDP) und Petra Coordes (Die Grünen), was man in Bremerhaven gerade für Einkommensschwache tun müsse. Irene von Twistern hob die vielfältigen Initiativen hervor, die das gesellschaftliche Miteinander in der Weserstadt prägen und dazu beitragen, soziale Härten zu mildern. Elias Tsartilidis von der SPD konnten zum Bereich Bildungsgerechtigkeit Beispiele aus seiner pädagogischen Erfahrung beitragen, Petra Coordes lag besonders am Herzen, dass alle Stadtquartiere für alle Menschen bezahlbare Wohnmöglichkeiten bieten.
Auch die zweite Podiumsdiskussion zu sozialer Gerechtigkeit und Interreligiösität fand an den Tischen viel Interesse. Bischof Heiner Wilmer, Mircea Ionescu und Fatih Kururtlu konnten von den Sorgen der Mitglieder ihrer Gemeinden berichten. Neben gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreisen sind viele der Gläubigen durch den Krieg in der Ukraine bedrückt. Bischof Wilmer machte zum Schluss der Debatte darauf aufmerksam, dass sich Städte und Gemeinden, aber auch die Organisationen wie Caritas oder andere Wohlfahrtsverbände darauf einstellen sollten, dass der Winter angesichts der Energiekrise hart werden könnte. Es könne dazu kommen, dass Menschen ihre Wohnungen nicht mehr heizen könnten oder nicht mehr genug Geld zum Leben übrig bliebe, wenn die Preise so weiter stiegen. Es könne auch zu mehr Obdachlosigkeit kommen. Alle waren sich daher einig, dass der Zusammenhalt in den Gemeinden besonders wichtig sei, um auch diese Situation gut überstehen zu können.
Während des Rahmenprogramms auf der Bühne konnten die Kinder sich auf der eigens errichteten Hüpfburg austoben oder sich an der riesigen Fußball-Dart-Scheibe ausprobieren. Und allen Interessierten schnitt die pensionierte Friseurin Marietta Kinzel im Thekenraum vom Pfarrheim die Haare.
Zum Abschluss des Tages feierte Bischof Heiner Wilmer einen Gottesdienst in der voll besetzten Herz Jesu Kirche in Geestemünde.
Im Rahmen des Godehardjahrs werden bis zum Herbst überall im Bistum Hildesheim von Bremerhaven bis Duderstadt Solidaritätstafeln aufgestellt. Menschen nehmen Platz, essen und trinken gemeinsam und tauschen sich über Forderungen für mehr soziale Gerechtigkeit aus. Mitveranstalter ist der Caritasverband für das Bistum Hildesheim und finanziell gefördert wird die Aktion von der Klosterkammer Hannover. Das Festjahr ist nach dem Heiligen Godehard von Hildesheim benannt, der im Jahr 1022 zum Bischof von Hildesheim berufen wurde.
Svenja Koch/Marcus Scheiermann